Kennst du die schwarzen Löcher in Konflikten?
Das scheint jetzt vielleicht weit hergeholt, im wahrsten Sinne des Wortes, aber die schwarzen Löcher sind mitten unter uns.
Schwarze Löcher im Universum haben die Eigenschaft, Masse anzuziehen und zu verschlucken. Wir wissen heute noch nicht, wann und wo diese massigen Dinger ihre Inhalte wieder ausspucken.
In Beziehungen, sei es zwischen zwei, drei oder mehreren Personen, ist für die Schwarz-Loch-Bildung ebenfalls als eine Möglichkeit angelegt. Menschen sind komplexe Wesen und ich würde mal schätzen, dass mindestens 80 % unserer Erlebniswelt IN uns liegt, somit weitgehend verborgen, die restlichen 20 % sind seh- und wahrnehmbar von AUSSEN. Dank dieser sehr grossen Dunkelziffer sind Differenzen und Missverständnisse an der Tagesordnung.
Aus diesen Missverständnissen entwickeln sich dann und wann mal soziale Konflikte. Über- oder Abwertungen und Polarisierungen nehmen zu, wir skizzieren Feindbilder und Feindgeschichten, bezeichnen das Gegenüber als Dumm, Krank oder Böse und alles gemeinsam Erlebte verdunkelt sich. Zuhören und Verstehen wird schwierig, später unmöglich. Ja, oft ist jeglicher Kontakt abgebrochen. Wir werden stur, unflexibel, engstirnig. Die Konfliktdynamik ist am Drehen, das Karussell der Empörung hat Hochkonjunktur.
Schmetterlinge und Konflikte
Was wie der berühmte Schmetterling🦋-Flügelschlag in Asien gestartet hat, vielleicht weil wir uns in einer Situation ohnmächtig oder hilflos gefühlt haben, entwickelt sich zu einem Taifun 🌪 in Südamerika!
„In gewissem Grad sind wir wirklich das Wesen, das die anderen in uns hineinsehen, Freund wie Feinde. Und umgekehrt. Auch wir sind die Verfasser der anderen; wir sind auf eine heimliche und unentrinnbare Weise verantwortlich für das Gesicht, das sie uns zeigen.... Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben Spiegel unseres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer.“ Max Frisch (Tagebücher, 1964)
Tiefgang in das individuelle und kollektive Unbewusste
Ja, Konflikte können diese Wirkkraft entfalten! Friedrich Glasl bezeichnet die Konflikteskalation als „Ein Gang in die Tiefe des individuellen und kollektiven Unbewussten“. Es multiplizieren sich fundamentale Wahrnehmungsfehler mit Affektlogiken, die Konfliktparteien verlieren zunehmend die Kontrolle über das Geschehen. Heute wissen wir, dass Konflikte so etwas wie eigenständige Wesen sind. Ich bezeichne sie gerne als Virus im sozialen System, den dort manifestieren sie sich.
Auf dem Konfliktkarussell spüren die Konfliktparteien unbewusst, hier geschehen Dinge, dazu kann ich nicht stehen! Dafür kann und will ich die Verantwortung nicht übernehmen! Je höher der Konflikt eskaliert, desto mehr haben die Konfliktparteien das Gefühl, sie seien sich „nur am Verteidigen“, die Gegenseite greift die ganze Zeit an.
Das schwarze Loch manifestiert sich …
Spätestens in diesen Momenten öffnet sich im Konflikt das „Schwarze Loch“, die dämonisierte Zone. Das schwarze Loch verschluckt alles, wofür die Konfliktparteien die Verantwortung nicht übernehmen wollen – sei es unbewusst oder absichtlich.
Dazu gehören schmerzhafte Verletzungen (äusserlich und innerlich), Wut-Taten, fiese Gerüchte und Geschichten, die man in Umlauf gebracht hat, einfach alles, was den Konflikt so richtig anheizt.
Ihr könnt euch vorstellen, sobald ein Konflikt die Heimat für ein schwarzes Loch geworden ist, steigt seine Karussell-Qualität massiv an. Und je mehr Karussell, desto grösser das Loch!
Tagesausflug?
Spätestens jetzt ist es angebracht, Konfliktklärungen mit Unterstützung durchzuführen. Den zur Klärung sollte dieses schwarze Loch begutachtet werden oder in einem Tagesausflug besucht werden. Was so flapsig von mir beschrieben wird, ist harte emotionale Arbeit. Kein Mensch schaut gerne dorthin, wo es wehtut, erst recht nicht, wenn die Person, die eine gewisse Mitverantwortung für diesen Schmerz trägt, im gleichen Raum ist (was bei hoch eskalierten Konflikten ist dies auch nicht mehr möglich)!
Was nützt mir diese Konfliktklärung?
Wie das schwarze Loch saugt der Konflikt sehr viel Energie aus den Menschen und Systemen, in denen er sich eingenistet hat. Und er scheint so etwas wie eine magische Anziehungskraft zu haben. Wie magnetisch werden weitere Menschen, Teams, Abteilungen mit in den Konflikt gezogen. Das schwarze Loch in der Mitte wird nicht «einfach so» verschwinden. Im Gegenteil, schaut man weg und leidet weiter, dann wird dieses Ding immer grösser!
Deshalb ist es angebracht, möglichst rasch eine Konfliktklärung in die Wege zu leiten.
Karussell der Empörung rückwärts drehen
In der Konfliktklärung drehen wir das Karussell der Empörung nochmals so richtig auf, aber im Rücklauf. Gehen teilweise in die Erlebnisse hinein, damit Gefühle und die Bedürfnisse dahinter sichtbar werden. Verstehen wird möglich, auch ohne einverstanden zu sein. Dadurch kann das Karussell optimalerweise verlangsamt werden, was der Klärung der Sachlage und der Beziehung dient.
Das schwarze Loch gibt seine Inhalte preis, baut sich optimalerweise ab.
Die bedeutet nicht, dass alles in wohlgefälliger Harmonie endet. Klärung ist das Ziel, Harmonie kann ein Abfallprodukt davon sein, muss aber nicht. Aber die Bewältigung dieser schwarzen Löcher kann zu mehr Frieden und Verständnis führen.
Fazit
Schwarze Löcher in Beziehungen sind real – sie sind mitten unter uns. Lassen wir uns bewusst darauf achten, dass wir in unseren Beziehungen keine schwarzen Löcher kultivieren.
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