In letzter Zeit fällt mir immer wie mehr auf, dass von Teams und Menschen Dinge erwartet werden, die sie gar nicht liefern können. Oftmals fehlt es den Menschen nicht an der Methodik (Können) oder dem Willen (Wollen), sondern das System (Dürfen) „steht ihnen im Weg“.
Hier zwei Beispiele aus meinem Coaching Alltag:
Beispiel: Qualität sinkt stetig
Ein agiles Team A ist in ein grösseres Konstrukt eingebunden, das seit einiger Zeit mit einer Methode zur skalierter Agilität arbeitet. Das Team A bekommt im Planungs-Meeting für die nächsten 10 Wochen diverse Anforderungen zugeteilt, die sie in diesem Zeithorizont umsetzen dürfen.
Gleichzeitig wird festgestellt, dass über alle Teams hinweg die Qualitätskriterien zu wenig eingehalten werden. Es wird Software in die Produktion gestellt, welche zu wenig getestet ist. Es häufen sich die Fehler in der Produktion und diverse Qualitätsmetriken (die glücklicherweise erhoben werden!) zeigen ein ungutes Bild auf.
Jetzt in diesem Moment einfach wie gewohnt weiter zu arbeiten und dieses Problem zu ignorieren, ist eine schlechte Idee. Auch die Delegation des Problems in die Teams, nach dem Motto: "Schaut mal, was ihr da machen könnt“, ist auch keine gute Idee. Offensichtlich haben sich die Teams bis jetzt auf „natürliche Art und Weise“ (also ohne das Zutun von aussen) nicht genügend um Qualität zu gekümmert.
In so einer Situation braucht es neue Anreize, Impulse von ausserhalb des Teams und verbindliche Auseinandersetzungen mit dem Problem, damit auch nur irgendetwas geschieht. Es muss also an den Rahmenbedingungen gearbeitet werden, damit zu diesem Problem Lösungen erarbeitet werden können. Dies braucht Zeit, Energie und Anreize. Und all dies ist nicht „im System“, sondern „am System“, sprich an den Rahmenbedingungen zu finden.
Beispiel: keine Zeit für Innovation & Verbesserungen
Nehmen wir nochmals Team A. Es hat in diesen 10 Wochen die letzten zwei Wochen Zeit für Innovation. So ist es in der Methodik angedacht. Jetzt werden aber an das Team so viele Fachanforderungen für die 10 Wochen gestellt, dass sie sich überhaupt keine Zeit für Innovation nehmen können. Hier den Teams aufzutragen: „Bitte schaut, dass ihr mehr Innovation betreibt“ bringt gar nichts.
Um diese Problemstellung zu veranschaulichen, habe ich folgende Analogie entwickelt:
In einem grossen Küchenteam werden viele Menüs zubereitet. Jetzt fällt den Konsumenten auf, dass die Menüs kein Salz enthalten. Sie beschweren sich beim Küchenteam. Hier dem Küchenteam zu sagen: „Bitte salzt die Menüs, die ihr zubereitet“ bringt nichts. Den bei einem Besuch in der Küche ist uns aufgefallen, dass es gar kein Salz in der Küche hat! Wir müssen zuerst Salz verfügbar machen, bevor wir die entsprechende Anforderung stellen können.
Spannend ist, dass dies im Küchenbeispiel total logisch und verständlich ist. In der Wissensarbeit sollten wir lernen, immer wieder zu hinterfragen, ob alle Rahmenbedingungen für die entsprechende Forderung gegeben sind. Und falls nicht, zuerst diese Rahmenbedingungen herstellen und dann die Forderung stellen.
Für das Team A und der Anforderung, dass sie mehr in Innovation investieren sollen, heisst das: dem Team
Raum und Zeit zur Verfügung stellen
dem Team Methoden oder Unterstützung für Innovation zur Verfügung stellen
… (es gibt sicher noch mehr :-)).
Erst wenn das System den richtigen Rahmen für die Anforderung gestellt hat, kann vom Team erwartet werden, sich entsprechend zu verhalten.
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