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  • AutorenbildFranziska Stebler

Empathisches Einfühlen im konstruktiven Gespräch

Das Prinzip "Connection before Correction" aus der gewaltfreien Kommunikation von Rosenberg besagt, dass in schwierigen sowie in Alltagssituationen zuerst

eine Verbindung durch Einfühlung zur Kommunikationspartnerin - Connection - erstellt werden sollte, bevor Änderung - Correction - erbeten wird. Dies ist laut Rosenberg wichtig, da ein Mensch, der Angst hat oder verletzt worden ist, ohne vorherige Empathie für seine Situation nicht in der Lage wäre oder nicht bereit sein würde, sich in sein Gegenüber einzufühlen (oder auch nur zuzuhören). Selbst wenn konstruktive Kritik geäussert wird, ist es in der Praxis hilfreich, vorher eine Verbindung auf den Ebenen Sichtweisen, Gefühle (und allenfalls Bedürfnisse) aufzubauen, um die Chance zu erhöhen, dass das Gegenüber wirklich das aufnehmen kann, was gesagt wird.


Im konstruktiven Gespräch (nach Glasl) sind vier Ebenen definiert, in denen wir mit unseren Kommunikationspartnerinnen in den Austausch gehen können. Je mehr Ebenen wir in unsere Kommunikation integrieren können, desto tiefer ist das gegenseitige verstehen. Je mehr Ebenen wir in unsere (erste) Bindung und Beziehung integrieren, desto offener wird das Gegenüber und desto tragfähiger werden unsere Beziehungen.



Die vier Ebenen haben anteilig meinen Selbstausdruck sowie das Verstehen der anderen Menschen im Blick:

Selbstausdruck

Ebene

Andere Menschen verstehen

Haltung

Beim Sprechen Bezug nehmen auf konkrete Wahrnehmungen.

Wahrnehmung

Bezug nehmen darauf, wie die anderen die Situation sehen (Perspektivenwechsel).

Jede Person hat ihr eigenes Erleben, ihre eigene Wahrheit. Es geht um Verständnis, nicht um Beweissuche.

Urteile und Bewertungen zurückhalten - das Denken dient dazu, alles genau zu beschreiben.

Denken

Bei Urteilen/Bewertungen durch die Anderen auf die dahinterliegenden Gefühle und Bedürfnisse schauen.

Meine Urteile und Bewertungen sind meine eigenen Bilder auf die Wirklichkeit. Sie färben meine Wahrnehmungen ein, schränken mich ein.

Eigene Gefühle spüren und in Ich-Aussagen ausdrücken.

Fühlen

Die Gefühle der Anderen empathisch erfühlen und ansprechen.

Die Gefühle sind die Wegweiser hin zu den Bedürfnissen.

Eigene Bedürfnisse und Werte spüren und klar ausdrücken.

Wollen / Bedürfnisse

Die Bedürfnisse und Werte der Anderen erspüren und erfragen.

Die Bedürfnisse sind der Ausdruck des Lebens und spiegeln unsere tiefsten Sehnsüchte.

Konkrete Handlungen, die ich mir von den anderen wünsche, als Frage formulieren.

Handeln / Bitten

Die konkreten Handlungen erfragen, die die Anderen sich von mir wünschen.

Wir alle tun gerne etwas für andere, solange wir es freiwillig und in Stimmigkeit mit unseren Bedürfnissen tun können.


Doch wie sieht das in der Praxis aus?


  1. Wir sollten guten Kontakt zu unseren eigenen vier Ebenen haben. Den nur was wir bewusst wahrnehmen, können wir auch in unsere Kommunikation integrieren. Dies können wir (wieder) lernen, dank Praktiken wie BodyScan, Bewusstsein erforschen, Gefühle und Bedürfnisse in ihrer Vielfalt wahrnehmen und vielen anderen.

  2. Jetzt achten wir uns im Alltag, sobald wir in Kommunikation mit Menschen sind, welche Sichtweisen, Gefühle und Bedürfnisse hinter ihren Aussagen liegen.

  3. Die einfachste Praktik ist, die Sichtweisen der Kommunikationspartnerin zu klären, indem wir in unseren eigenen Worten wiederholen, was wir von ihr verstanden haben. Dieses Spiegeln der Sichtweise leiten wir ein mit "Aus deiner Sicht .... ", "Du hast das so erlebt, dass ... ", "Habe ich das richtig verstanden, du hast ...".

  4. Anschliessend integrieren wir die Gefühle der Anderen ein. Beim Zuhören achten wir nicht nur auf die Worte, sondern auch auf die Körpersprache und auf das, was als Gefühlshintergrund in den Aussagen auftaucht - spüren, wie sich der, die Andere jetzt im Moment fühlt. Zusätzlich setzen wir unseren Körper als Wahrnehmungsinstrument ein: Was fühle ich im eigenen Körper, während ich der Anderen zuhöre? Diese erspürten Gefühle werden zurückgespiegelt mit "Mein Eindruck ist, dass du gerade ziemlich empört bist. Stimmt das?", "Auf mich wirkt es so, also ob du dich .... fühlst", "Beim Zuhören spüre ich ...". "Trifft es das?". (Keine Angst, wenn dein Gegenüber verneint, dann fragst du einfach "Wie ist es dann? Was spürst du?". Es ist nicht das Ziel, korrekt zu treffen, sondern der echte, klärende Austausch ist das Ziel.)

  5. Jetzt können wir überleiten zu den Bedürfnissen mit der Aussage "Du fühlst dich <Gefühl einfügen>, weil dir <Bedürfnis> gefehlt hat?". (Auch hier gilt wieder: Du machst ein Angebot. Falls das Angebot nicht passend ist, wird das Gegenüber es klären.).

  6. Zum Schluss integrieren wir die Ebenen des Handelns in die Kommunikation. "Du wünschst dir in Zukunft, dass ...?".


Bei dem Kommunizieren über die vier Ebenen geht es um das tiefe Verstehen und nicht um das einverstanden sein. Ich kann sehr wohl nicht einverstanden sein mit den Aussagen des Gegenübers, und doch seine Aussagen mit den oben beschriebenen Praktiken spiegeln, wahrnehmen und annehmen. Genau dies legt die Basis, dass im Anschluss die Unterschiedlichkeiten gewürdigt und dann gemeinsam nach Lösungen gesucht werden kann.


Mein Erleben ist, dass mit dieser konstruktiven Kommunikation über die vier Ebenen sich eine neue Welt der Beziehung öffnet. Die Gespräche werden tiefer, klarer und erfüllender. Und je mehr Ebenen ich ins Gespräch integriere, sei es in einer Alltagssituation oder in einem Konfliktgespräch, desto grösser ist meine Wirkkraft im sozialen Zusammensein.


Mir ist bewusst, was hier relativ einfach beschrieben werden kann, ist herausfordernd. Es bedarf viel Praxis und Reflexion, bis diese Haltungen, Wahrnehmungen und die Offenheit ins eigene Leben integriert werden kann. Und auch hier gilt: mit dem ersten Schritt startet alles. Und wir haben jeden Tag die Chance, uns selbst stimmiger in unserem Leben zu integrieren.




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