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  • AutorenbildFranziska Stebler

Jährlich grüsst das Murmeltier

Wir sind mitten in der Weihnachtszeit. In unserer Familie gibt es in dieser Zeit zwei traditionelle Anlässe, die uns gemeinsam durch diese Zeit begleiten. Diese Anlässe erlebe ich aktuell als bitter süss.


Ich freue mich auf die Anlässe, da ich das Verbindende daran geniesse. Meine Geschwister haben alle (viele) Kinder und das Beisammensein mit meinen Neffen und Geschwistern schätze ich sehr. Es erinnert mich an das zauberhafte Gefühl, dass ich mit Weihnachten verbinde und auch als Kind ganz stark gefühlt habe.


An diesen Anlässen, in denen gemeinsamen Guezli hergestellt oder Weihnachtsschmuck gebastelt wird, werde ich auch maximal mit meiner Vergangenheit konfrontiert. Mit meiner familiären Rolle, die ich heute nicht mehr repräsentiere. Ich war früher sehr angepasst, einfach das stille Reh im Hintergrund, welches viel gearbeitet hat. Ich habe subjektiv viel gegeben, wenig dafür verlangt. Dieses Ungleichgewicht, hat in mir eine grosse Spannung erzeugt. Das Gefühl von Trauer und Ohnmacht in dieser Rolle habe ich in diesem Jahr sehr stark wahrgenommen.


Es ist an einem dieser Anlässe so richtig über mich gekommen. Den ganzen Tag hindurch habe ich meine Rolle wahrgenommen, die ich bereit seit Jahrzehnten bei diesem Anlass habe. Was dazu führte, dass ich nicht einmal hinsetzen und mit den anderen Essen konnte. Und als ich da einsam am Arbeiten war, wurde mir dieser Gefühlscocktail so richtig bewusst. Leider ist es mir nicht gelungen, dies den anderen mitzuteilen oder mich einfach für meine Bedürfnisse einzusetzen. Ich habe mich in mein Schneckenhaus zurückgezogen, in mir drin hat der Cocktail immer mehr Wirkung gezeigt. Ich bin mit einem emotional sehr aufgeladenen Körper und Geist nach Hause gegangen.


Heute, mit wieder ruhigem Körper und Geist kann ich sehen, was mir da passiert ist. Ich habe mir ein Kleid übergestülpt, dass nicht mehr zu mir passt. Ich hätte es gleich wieder ausziehen können und sagen: "Danke, aber das will und kann ich nicht mehr übernehmen. Ich fühle mich sehr einsam, hier beim Arbeiten und mir fehlt die Wertschätzung für meinen Einsatz. Auch habe ich so keine Gelegenheit, mit euch in Beziehung zu treten und mich mit euch auszutauschen. Was ich sehr schade finde." Um dann neue Varianten und Lösungen mit allen zu suchen. So weit bin ich offensichtlich noch nicht 😀. Aber wir wissen alle, die nächste Weihnachtszeit kommt bestimmt wieder. Und bis dann kann ich es ansprechen und neu gestalten.


Und ich weiss auch, dass persönliche Veränderungen im Familienkontext oftmals die schwierigsten sind. Sie sind die Goldmomente für persönliche Entwicklung. Und in diesem Sinne bin ich dankbar um meine Erfahrung. Sie zeigt mir, dass vieles in mir drin in Bewegung ist und neu gedacht und gemacht werden möchte.


Und wie es im Leben oft ist, ist mir soeben noch eine Geschichte zu meinem Erleben in die Hände geraten:


Am Ufer des Flusses

In den abgelegenen Höhe des Himalayas unterrichtete einst eine Zen-Meisterin eine Schar junger Mädchen. Den Weg der Liebe und des Herzens wollte sie den Mädchen weisen. Eines Tages machte sie mit ihren Schülerinnen einen Ausflug zu einem grossen Fluss. Um das beständige Fliessen des Flusses in sich aufzunehmen, setzten sie sich an dessen steiles Ufer. Schweigend blickten sie in die Tiefe und lauschten dem mächtigen Rauschen des Flusses. Doch eine der Schülerinnen wurde ganz blass und fragte schliesslich zitternd: "Meisterin, wenn ich nun ausrutschen und in den Fluss fallen würde, müsste ich dann ertrinken?" "Nein", antwortete die weise Frau.

"Du ertrinkst nicht, wenn du in den Fluss fällst. Du ertrinkst nur, wenn du drinbleibst." Ein Lächeln breitete sich langsam auf dem Gesicht des Mädchens aus.


Aus Storytelling von Hanna Miller, 2020.


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